Segle! – Singe! – Summe! – Sause!“ Hin und Her – auf und nieder lassen die Erstklässler an langen Fäden die Wäscheklammern schwingen, hinter denen bunte Krepppapierbänder flattern. Der Besucher, der die Kinder auf dem Schulhof oder einer Waldlichtung bei ihrer munteren Beschäftigung beobachtet, mag ihre roten Wangen bemerken und sich freuen, dass sie eine schöne Spielstunde haben. Aber wird er darauf kommen, dass sie gerade Schreiben lernen? Schier unermüdlich lassen sie ihre Luft-Schlangen in Achterfiguren s-s-sausen und s-s-summen. Wenn sie genug davon haben – oder besser noch ein wenig vorher – ruft der Lehrer sie wieder in die Klasse. Und wenn sie diese Formen nun in ihr Heft malen, wird sich der Buchstabe für den „Sauselaut“ – das S – wie von selbst ergeben.
So lernt ein Waldorfschüler in der Unterstufe das S – oder so ähnlich – oder ganz anders: Denn jeder Klassenlehrer entscheidet aufs Neue, aus welcher Tätigkeit oder aus welchem Bild er ein Schriftzeichen entstehen lässt. Auf eines aber kommt es ganz entscheidend an: die roten Wangen. Die große freudige Bewegung wird übergeleitet in die erst schwungvolle, dann immer konzentrierter geführte Malbewegung, aus der die feste Form entsteht, die man verinnerlichen kann, behalten und wieder hervorbringen – eben „schreiben“ kann.
Puls und Atem werden ruhiger bei dieser Arbeit, die Kinder „kühlen ab“ und können gegen Ende des Unterrichts ruhig und verträumt einer Erzählung lauschen, ehe sie ins Pausengetümmel aufbrechen. Müssten sie die ganze Zeit still sitzen, würden nur ihre Aufmerksamkeit und Konzentration angesprochen, weil eine fertig vorgesetzte Form genau zu kopieren wäre – die Kinder würden bleich und müde, einige würden kalte Füße bekommen.
„Rechter Fuß und linker Fuß: Das – sind – zwei!!“ Stampfend und springend festigen die Schulanfänger die Unterscheidung der Seiten – Grundlage für Orientierung im Raum, fürs Schreiben, für geordnetes und ordnendes Lernen.
Und ein Erüben der Zahlenreihen ohne Seilchenspringen ist kaum vorstellbar; zum Glück haben die Meisten das schon im Waldorfkindergarten gelernt. Aus der Folge der natürlichen Zahlen werden die Einmaleins-Reihen herausgelöst durch Stampfen, Klatschen, Klingeln bei jeder zweiten, dritten Zahl usw. ... Im chorischen Sprechgesang bringen ganze Klassen die Einmaleins-Reihen vor – immer wieder im gleichen Rhythmus und Tonfall.
Viele Lerngebiete werden so mit starker leiblicher Aktivität erobert. Im Laufe der Zeit werden Bewegung und Lautstärke zurückgenommen, der Rhythmus wird verinnerlicht. Am Ende der Unterstufe soll das Durchlaufen der Reihen sich ganz verlieren: Dann erst können die Schüler das Einmaleins – auch einzeln.
Die Bilder der Buchstabeneinführung sind vergessen. Die Unterscheidung von Rechts und Links muss so einverleibt sein, dass sie ohne Bewusstseinsakt funktioniert. Kinder, die diese Sicherheit nicht so leicht erlernen, können Einzelstunden bekommen, in denen Übungen aus der eurythmischen Bewegungskunst ihre heilende und entwicklungsfördernde Wirkung tun.
Ohne Druck und Drill wird so ein Schatz an Wissen und Fertigkeiten angelegt, der nicht ständig an der Oberfläche des Bewusstseins zum blitzschnellen Abruf bereitliegt, aber durch Erinnerung zuverlässig zu heben ist.
Mit zunehmendem Alter der Schüler gehen die Anteile körperlicher Bewegung an Unterrichtsstunden in den so genannten Lernfächern zurück. Seelische Bewegung sucht der Lehrer hervorzurufen durch lebendige Erzählungen im Geschichtsunterricht. In der Erdkunde fördern anschauliche Landschaftsschilderungen die Eigentätigkeit der Schüler im Vorstellen – Bildmedien, die zum reinen Zuschauen auffordern, werden sparsam eingesetzt, und nie zur Einführung eines Themas.
Auch in der Mittelstufe lässt sich mitunter Erkennen noch unmittelbar mit Wahrnehmen und Tun verbinden – am deutlichsten in der Physik, wenn Resonanz nicht nur hörbar, sondern auch fühlbar gemacht wird (etwa an einem stramm aufgeblasenen Luftballon). Die fast schon jugendlichen Siebtklässler mit ihren lang und kräftig gewordenen Gliedern „erlernen“ die Hebelgesetze in der praktischen Anwendung. Im Flaschenzug gar triumphiert der Geist des Menschen über die Schwere seines Körpers: Mit diesem Gerät kann man nicht nur Klassenkameraden oder den Lehrer, sondern sogar sich selber hochziehen!
Diese „Experimente“ greifen auf, was die Schüler in diesem Alter in Pausen und Freizeiten ohnedies tun: Kräftemessen unter Anwendung der Hebelgesetze. So trifft der Unterricht unmittelbar das tiefe, leiblich begründete Interesse der Schüler. Natürlich könnte man diesen Unterrichtsinhalt – wie fast jeden – auch früher behandeln; dann aber müsste man beibringen und erklären, was bei altersgerechter Vermittlung direkt erfahrbar und unmittelbar verständlich ist. Darum verlassen sich Waldorfschulen immer wieder auf ihren vielleicht altmodisch erscheinenden Lehrplan und wehren sich gegen verfrühtes Fakten- und Regellernen.
Der Zusammenhang zwischen motorischem Geschick und geistigen Fähigkeiten ist inzwischen kein Waldorf-Geheimnis mehr, sondern insbesondere bezüglich der mathematischen Fähigkeiten durch Untersuchungen belegt. Wir machen diesen Zusammenhang bis in die Oberstufe hinein nutzbar: künstlerische und handwerkliche Unterrichtsfächer sind bei uns nicht Dreingabe mit Wohlfühleffekt, sondern unverzichtbare Ergänzung der kognitiven Fächer. Kein Lehrer kann Schülern eindrücklicher und nachhaltiger die Folgen ihrer mehr oder weniger guten Arbeitshaltung vor Augen führen als das Brett, das im Tischlerkurs gerade gehobelt werden soll.
Das beglückende Erlebnis des Webens, wo durch Einschießen und Anschlagen das Gewebe sichtbar wächst, ist nur möglich, wo ein Webstuhl zuvor eingerichtet wurde. Hunderte von Kettfäden müssen sorgfältig und genau nach Plan eingefädelt werden, damit hinterher die richtigen Fäden sich heben und senken, und das erdachte Muster entstehen kann: Gedankenarbeit pur – mit den Händen zu vollziehen. Das aus der Weberei die ersten Steuerungssysteme entstanden sind, die übers Hollerith-System direkt zum heutigen Computer führen – solche und andere wichtige Kenntnisse fallen beim Webunterricht nebenbei an.
Die Zusammenhänge vieler Unterrichte – am besten aller mit allen – bemühen wir uns zu pflegen und, z.B. in Lehrertagungen, in immer neuen Möglichkeiten zu entdecken, zu beleben und zu verfeinern. Nicht fertige methodische Konzepte, sondern das beständige Ringen um die beste Möglichkeit: Das ist das Geheimnis, und die Bedingung, des Erfolgs von Waldorfschule.
Warum unternehmen wir an unserer Schule noch ganz selbstverständlich Klassenreisen? Warum leisten wir uns diesen enormen Arbeitsaufwand an Vorbereitung und die 24-Stunden-Tage der Begleiter während der Fahrten? Warum bringen die Eltern die zusätzlichen finanziellen Aufwendungen u.a. für Ausrüstung, Kleidung auf? Worin liegen unsere pädagogischen Impulse für die Fahrten? Warum sind uns die sozialen Herausforderungen, die Grenzerlebnisse der Beteiligten so wichtig?
- Das soziale Leben innerhalb der Schülergemeinschaft muss auf vielfältigste Art und Weise erfahren und geübt werden. Auf jeder Fahrt geht die Klassengemeinschaft gestärkt hervor. Die unterschiedlichsten sozialen Stellungen der Schüler können neu ausgerichtet werden. Die Beziehungen der Schüler untereinander werden durch die vielen Aktivitäten und neuen Konstellationen aktiviert und gestärkt. Durch das gemeinsame Sprechen, Singen und Spielen, Wandern und Schwimmen, das gemeinsame Übernachten und Essen, können neue Impulse in der Lehrer-Schüler- aber auch in der Schüler-Schüler-Beziehung entstehen.
- Grenzerlebnisse an und in der Natur werden nur auf den Klassenreisen so intensiv durchlebt und gemeistert.
- Echte und wahre Sinneserfahrungen an der Natur, zu den Elementen Luft, Wasser, Licht/Feuer und der Erde/Steinen werden leider immer öfter erstmalig durchgemacht oder eben weiterhin geschult.
- Die Schulung und Übung der Selbstwahrnehmung und der Eigenverantwortung wird auf jeder Fahrt neu geübt: Jeder ist für sich selber und sein Hab und Gut (Kleidung und Wertgegenstände), eventuell auch für seine Verpflegung und Versorgung verantwortlich. Es werden Projekte, Tagesaktivitäten und Dienste innerhalb der Gemeinschaft geplant und durchgeführt.
In der Unterstufe werden zunächst kurze Reisen und größere Ausflüge gemeinsam mit Eltern gemacht, um ein besseres Kennenlernen zu ermöglichen und eine gute Zusammenarbeit zu begründen.
In der 4. Klasse ist dann die erste längere Reise ohne Eltern vorgesehen. Im Zusammenhang mit der Heimatkunde wird ein Ort in der Nähe oder auf einer Insel gewählt, um ohne großen Aufwand Land, Leute und Wetter zu erleben. Im Vordergrund steht aber hier das intensive gegenseitige Wahrnehmen der Klasse.
In den Folgejahren werden größere Herausforderungen gesucht, z. B. eine Segelscheinprüfung zu bestehen, größere Wanderstrecken zu Fuß oder mit einem Paddelboot zu bewältigen, Klettern zu lernen, mit wenig Komfort zu zelten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und notfalls mit schlechtem Wetter fertig zu werden. Es können Unterrichtsinhalte wie die Himmels- oder Gesteinskunde besonders lebendig erfahren werden.
Zum Abschluss der Klassenlehrerzeit in der 8. Klasse ist meist eine besondere Reise vorgesehen, die auch schon mal ins Ausland führen kann. So wird z.B. auf einem Dreimaster gesegelt oder Estland per Fahrrad erkundet.
In der 9. Klasse wird zwei Wochen lang ein Landwirtschaftspraktikum durchgeführt, bei dem auf einem Bauernhof unter fachgerechter Anleitung alle anfallenden Arbeiten verrichtet werden. Das kann Rüben ziehen, Kühe melken, Knicks auslichten oder auch Kochen für ca. 50 Personen sein.
In der 10. Klasse wird Mathematik und Geometrie im Rahmen der Feldmessreise praktisch angewendet. Mit professionellen Geräten und hoher Präzision erstellen die Schüler topographische Landkarten.
Die 11. Klasse lernt im Betriebspraktium Arbeitszusammenhänge im wirtschaftlichen Leben kennen.
In der 12. Klasse führt die Abschlussreise in kunsthistorische Gegenden wie zum Beispiel Florenz und Rom. Auf dieser Kunstreise wird die jeweilige Architektur und bildende Kunst intensiv studiert und nachempfunden. In der Umgebung von Carrara gibt es im Anschluss einen Steinmetzkurs. Hier lassen die Schüler mit Kraft, Geschick und Gefühl aus dem Marmor neue Kunstwerke entstehen.
In der Mittel- und Oberstufe gibt es klassenübergreifende Reisen, in denen Chor- und Orchesterwerke bis zur Aufführungsreife geprobt werden.
Die ganze Welt ist Bühne und alle Fraun und Männer bloße Spieler. (Shakespeare)
Jede 8. und 12. Klasse bringt ein sogenanntes Klassenspiel auf die Bühne. Im Laufe ihrer Ausbildung sehen die Schülerinnen und Schüler daher mindestens 18 anspruchsvolle Stücke aus der klassischen und modernen Theaterliteratur.
Die verschiedenen Charaktere der Rollen, die durchlebte und die Tragik oder Komik von dramatischen Situationen, schärfen den Blick für die Vielschichtigkeit der menschlichen Psyche. Durch das Training und Gestalten der persönlichen Ausdruckskraft von Stimme, Gestik, Mimik und Körpersprache, die einer Rolle Leben einhauchen, wird das Selbstbewusstsein der Schülerinnen und Schüler nachhaltig gestärkt.
Das Lampenfieber zu überwinden, die große Mutprobe, vor dem Publikum zu bestehen, es vielleicht für einige Zeit zu verzaubern, ist stets eine beglückende Erfahrung. Jede Aufführung ist nicht zuletzt ein großartiges Gemeinschaftserlebnis. Die Auf- und Abtritte der Spielerinnen und Spieler, jeder Handgriff der Beleuchter, Requisiteure, Kostüm- und Bühnenbildner müssen perfekt platziert sein, um zum Gelingen beizutragen. In all diesen Bereichen werden die Schüler zu größtmöglicher Selbständigkeit angehalten.
Doch vor allem gilt: Theaterspielen begeistert und macht Spaß.
8. Klass-Spiel
Hier übernimmt in der Regel die Klassenlehrerin, der Klassenlehrer die Organisation des großen und langfristig zu planenden Projekts. Bei allen Entwürfen und der Herstellung von Bühnenbild, Kostümen, Musik, Tanz, Requisiten, Programmheften und Plakaten helfen Fachkollegen und Fachkolleginnen und die Eltern der Klasse. In der Regel wird für die Regie ein professioneller Regisseur oder eine Regisseurin engagiert. Einzelproben, Stimmbildung und schauspielerischen Feinschliff erhalten die Schülerinnen und Schüler von der Sprachgestalterin der Schule.
12. Klass-Spiel
Gereift und mit Begeisterung und Engagement gehen die Schülerinnen und Schüler an die schauspielerische Arbeit. Ihre Persönlichkeit, ihr Ausdrucksvermögen, ihre Stimmen sind flexibler und bewusster als in der 8. Klasse einsetzbar. Gleichzeitig gilt es das Projekt „12.-Klass-Spiel“ selbständig zu managen. Nicht nur Stückauswahl und Besetzung wird von den Schülerinnen und Schülern entschieden. Ebenso werden Stil und Aussage der Darstellung in konstruktiven, intensiven und kontroversen Gesprächen festgelegt. Die Klassen bilden Teams zu allen praktischen Bereichen. Bühnenbilder, Kostüme, Requisiten, Programmhefte, Plakate, Tontechnik, Beleuchtung, Musik und Tanzeinlagen werden vom Entwurf bis zur termingerechten Fertigstellung von den Teams verantwortet. Termine, Technik und Kosten sind dabei zu berücksichtigen. In all diese Arbeiten fließen die bis dahin erworbenen Fähigkeiten aus den kognitiven, handwerklichen und künstlerischen Fächern der bisherigen Schulzeit ein. Selbstverständlich liegt das Hauptaugenmerk auf den Proben und dem schauspielerischen Ausdruck und Miteinander. Aus all diesen Zutaten entsteht dann ein Gesamtkunstwerk. Für Regie, Schauspieltraining und Projektbegleitung stehen den Schülerinnen und Schülern in der Regel vier Fachkolleginnen- und Kollegen zur Seite.
Ich liebe es, Theater zu spielen. Es ist so viel realistischer als das Leben. (Oscar Wilde)
Diese Kampfszenen spielen sich in einer ersten Klasse ab. Begeistert verfolgen die übrigen 34 Kinder von ihren im Kreis stehenden Bänken das Geschehen auf dem Kissenberg in der Mitte, und wünschen sich sehnlichst, als nächster Drache oder Prinzessin sein zu dürfen.
Seit einigen Jahren ist die Harburger Schule dabei, die ersten Schuljahre offener und beweglicher zu gestalten. Ausschlaggebend für den Wunsch nach Veränderung sind eine zunehmende Anzahl von Kindern, an denen eine mangelhafte Beziehungsfähigkeit zu Menschen, Dingen und Orten beobachtet wird. Ein gut gestalteter Vormittag im Lebensraum Schule kann die Kinder – statt sie zu ermüden – für den restlichen Tag und ihr soziales Umfeld stärken.
Der Klassenlehrer wird in den ersten Schuljahren zu einer festen Bezugsperson, ist verantwortlich für den Hauptunterricht mit seinen Epochen, begleitet die Pausen, sorgt für eine geregelte Ernährung und tägliche Bewegungszeiten. Anders als früher üblich, umrahmt der Klassenlehrer den Vormittag der Kinder: Neben dem Tagesbeginn im Epochenunterricht fängt er die Kinder in einem gemeinsamen Abschluss auch wieder auf. Die anderen Fächer werden in möglichst beweglichen Zeiteinheiten in den Vormittag integriert, so dass der Schultag als ein ausgewogenes Ganzes empfunden werden kann.
In der Unterstufe wird ein besonderes Augenmerk auf ein Lernen mit allen Sinnen gelegt. So sollen die Kinder nicht nur sehend, hörend, riechend und schmeckend die Welt erfahren, sondern ihren Tastsinn, Lebenssinn, Gleichgewichtssinn und Eigenbewegungssinn, die für eine gesunde körperliche, seelische und geistige Entwicklung unabdingbar sind, in kräftigender Weise entwickeln können. Ideal hierfür sind Bewegung, Abwechslung und anregendes Spiel.
Wir ermöglichen es, in den ersten Klassen auf Tische und Stühle zu verzichten und richten uns mit geeigneten Holzbänken und Sitzkissen ein. Jeweils zwei Kinder teilen sich ihre Bank und haben darauf ihren festen Platz. Der häufige Wechsel von Sitzen, Stehen, Herumlaufen und vor der Bank auf einem Kissen knien, wenn geschrieben und gemalt wird, lässt weniger Müdigkeit aufkommen als auf den herkömmlichen Stühlen, die zudem meist zu gedrängter Enge im Klassenraum führen.
Die kleinen Bänke werden von den Kindern leicht zum Kreis umgebaut, eine ideale Arena für Bewegungsübungen und -spiele, aber auch für das gegenseitige Wahrnehmen beim Lernen. Die Bänke und Kissen selber sind ideale Spiel- und Turngeräte, die als Rutschbahnen, Tunnel, Klettertürme und Balancierstangen viel Raum für Bewegungsphantasie lassen. Ziel ist es, den Kindern ein positives Körpergefühl zu vermitteln, Grundvoraussetzung für alles weitere schulische Lernen sowie körperliche und seelische Gesundheit.
Die Harburger Rudolf Steiner Schule hat aber auch das große Glück, inmitten eines schönen und hügeligen Wald- und Heidegebietes zu liegen, so dass der Unterricht ohne großen Aufwand immer wieder ins Freie verlagert werden kann.
Abschlüsse - Aufschlüsse?
Das gegenwärtige Berechtigungswesen in der deutschen Bildungslandschaft bedeutet für einen Schulbetrieb, egal welcher pädagogischen Prägung, immer die Auseinandersetzung mit der Frage nach den sogenannten Abschlüssen. ln der Regel ist damit dann das Abitur gemeint, erst in zweiter Linie stehen Realschul- und Hauptschulabschluss (heute Mittlerer Schulabschluss - MSA - und Erster allgemeinbildender Schulabschluss - EAS). Dass eine Schule mit der Frage des Endes der Schulzeit auch ganz andere überlegungen verbindet, ist heute eher ungewöhnlich...
Am Ende eines jeden Schuljahres legen wir Zeugnis ab über unsere Tätigkeit und über die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse der Schüler. Das Ergebnis, eben das Zeugnis, ist ein mehr oder weniger ausführlicher Bericht an die Eltern und an die Schüler, streng genommen ist es auch ein Rechenschaftsbericht des Lehrers an sich selbst. Das Zeugnis gilt der charakterisierenden Darstellung des Schülers und seiner Arbeit im Laufe des vergangenen Schuljahres und der Beschreibung des zuletzt gewonnenen Standortes. Für den Epochenunterricht der Klassenlehrerzeit wird dies von den Klassenlehrern ausgeführt, in den Fachunterrichten und im Epochenunterricht der Oberstufe von den Fachlehrern. Was den Schülern und Eltern dann vorliegt, ist ein mehrseitiger, sehr persönlicher, wohlwollender Bericht, der einen deutlichen Einblick in die Lern- und Arbeitsformen der Schüler vermittelt. Genau und aufmerksam gelesen zeigt er ebenso deutlich die mögliche Notwendigkeit einer Veränderung für die Zukunft. lnsofern bedeutet das Zeugnis in jedem Schuljahr den Abschluss einer gemeinsamen Arbeit und den Aufschluss von neuen Möglichkeiten für das kommende Schuljahr.
So könnte man am Ende der Schulzeit ebenfalls von "Aufschlüssen" sprechen, die den Schülern Türen in neue Betätigungsfelder öffnen. Man könnte, statt von Berechtigung zu reden, auch die "Befähigung" anschauen, die Schüler im Laufe von 12 Jahren erlangt haben. Damit wäre man viel eher auf der Ebene dessen, was Waldorfpädagogik anstrebt, nämlich die Menschenbildung, oder, anders ausgedrückt, die Heranbildung von im Leben stehenden, ein eigenständiges Urteil bilden könnenden, selbstverantwortet arbeitenden jungen Menschen, die in weiteren Bildungsschritten ihre Berufswege beschreiten.
Wie ein solches Schulende formal bestätigt werden kann, welche Qualitätsbescheinigungen da möglich sind, welche verbindlich weiterführenden Empfehlungen mitgegeben werden können, ist Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen, die überregional gerade geführt werden und immer wieder neu gegriffen werden müssen.
Wie sieht es nun konkret und eben "normal" aus?
Die Rudolf Steiner Schule Harburg ist bis einschließlich Klasse 13 staatlich anerkannt, das heißt, alle staatlichen Schulabschlüsse können an unserer Schule erworben werden. Dabei gibt es gegenüber den staatlichen Schulen ein paar Besonderheiten:
Der Erwerb des "Erster allgemeinbildender Schulabschluss" (EAS) und des "Mittleren Schulabschlusses" (MSA) erfordert im Durchschnitt ausreichende Bewertungen (EAS) bzw. gute Bewertungen (MSA) im grundlegenden Anforderungsbereich in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Geschichte, Sozialkunde (PGW) oder Geographie, Kunstgeschichte, Künstlerisches Gestalten, Musik, Französisch und Sport.
Der Erwerb der Fachhochschulreife (schulischer Teil) und des Abiturs ist an eine Versetzung in die 12. Klasse gebunden, die erfolgen kann, wenn in den oben genannten Fächern im Schnitt eine ausreichende Bewertung im erhöhten Anforderungsbereich vorliegt. Für die Versetzung in die 12. Klasse (Studienstufe) ist im Rahmen der MSA-Prüfung eine schriftliche und mündliche überprüfung in der zweiten Fremdsprache erforderlich.
Der Erste Allgemeine Schulabschluss (EAS, früher Hauptschulabschluss) wird frühestens am Ende der 10. Klasse erworben und vergeben, wenn Schüler die Schule am Ende von Klasse 10 verlassen. Voraussetzung für den Erwerb des EAS ist neben den oben genannten Bewertungen die Teilnahme an schriftlichen und mündlichen Prüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik, die dem Lehrplan der 10. Klasse entsprechen, sowie an einer praxisorientierten mündlichen Prüfung. Letztere wird im Rahmen des Feldmesspraktikums absolviert. Das Verfahren in den Prüfungen entspricht formal dem für den mittleren Bildungsabschluss und wird dort beschrieben.
Der Mittlere Schulabschluss (MSA, früher Realschulabschluss) wird am Ende der 11. Klasse erworben und vergeben. Voraussetzung ist, wie beim EAS neben den oben genannten Bewertungen die Teilnahme an schriftlichenund mündlichen Prüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik, die dem Lehrplan der 11. Klasse entsprechen.
Die mündlichen Prüfungen werden für beide Abschlüsse als Gruppenprüfungen zu je 5 Schülern durchgeführt und dauern je Gruppe etwa 1¼ Stunden. über die Inhalte der Prüfungen geben Ihnen die Fachlehrer gerne Auskunft.
Die Aufgaben für die schriftlichen Prüfungen beider Abschlüsse werden als Zentrale Prüfungen innerhalb der Rudolf Steiner Schulen und Waldorfschulen in Hamburg durchgeführt. Die Aufgabenstellungen werden von einem Fachkollegenteam aus mehreren Hamburger Rudolf Steiner Schulen erarbeitet und der Schulbehörde zur Begutachtung vorgelegt. Dort wird unter Berücksichtigung des Lehrplans der RSS HH geprüft, ob die Aufgaben den EAS- bzw. MSA-Aufgaben der staatlichen Schulen gleichwertig sind.
In Orientierungsgesprächen im Laufe von Klasse 9, 10 und besonders Klasse 11 wird mit den Schülern das Spektrum ihrer Möglichkeiten sondiert. Am Schuljahresende wird in der Zeugniskonferenz festgestellt, ob der Abschluss erreicht wurde.
Das Abitur wird komplett den staatlichen Bedingungen folgend erworben, das heißt, dass inhaltlich die Vorgaben der staatlichen Bildungspläne für die Studienstufe bindend sind. Dies ist auch deshalb nötig, weil mit dem Prüfungsjahr 2014 alle schriftlichen Abiturprüfungen als zentrale Prüfungen, z.T. sogar länderübergreifend durchgeführt werden.
Die Schüler legen 3 schriftliche und eine mündliche Prüfung ab, alle anderen Bewertungen ergeben sich aus der zweijährigen Kursarbeit.
Um das gesamte Gebiet der Studienstufe zu durchdringen sei die Broschüre "Die Studienstufe an allgemeinbildenden Schulen" der Schulbehörde Hamburg empfohlen, die im Internet heruntergeladen werden kann.
Da die RSS Harburg komplett in das staatliche Prüfverfahren einbezogen ist, stellt sie die Prüfungskommissionen der Prüfungsfächer mit Genehmigung der Behörde selbst. Die Behörde behält sich vor, die Zweitkorrektur von etwa 10% aller schriftlichen Prüfungen anonymisiert von externen Prüfern durchzuführen. Die Schulen rechtzeitig darüber informiert. Die mündlichen Prüfungen werden als "Präsentationsprüfungen" oder als herkömmliche mündliche Einzelprüfung durchgeführt. Genaueres hierzu entnehmen Sie bitte auch der genannten Broschüre.
Das Fachabitur (schulischer Teil) wird frühestens am Ende der 12. Klasse (2. Semester der Studienstufe) ohne jegliche Prüfung erworben. Es muss in einer bestimmten Anzahl bestimmter Fächer ein ausreichendes Ergebnis vorliegen. Genaueres entnehmen Sie bitte der genannten Broschüre.
Zum Erwerb der vollständigen Fachhochschulreife gehört ein einjähriges Vollzeit-Praktikum, das mit einem Zeugnis des Praktikumsbetriebes endet, oder eine Berufsausbildung. Aus dem Zeugnis der Schule und des Praktikumsbetriebes erstellt die Behörde dann das endgültige Fachhochschulreifezeugnis.