Diese Kampfszenen spielen sich in einer ersten Klasse ab. Begeistert verfolgen die übrigen 34 Kinder von ihren im Kreis stehenden Bänken das Geschehen auf dem Kissenberg in der Mitte, und wünschen sich sehnlichst, als nächster Drache oder Prinzessin sein zu dürfen.
Seit einigen Jahren ist die Harburger Schule dabei, die ersten Schuljahre offener und beweglicher zu gestalten. Ausschlaggebend für den Wunsch nach Veränderung sind eine zunehmende Anzahl von Kindern, an denen eine mangelhafte Beziehungsfähigkeit zu Menschen, Dingen und Orten beobachtet wird. Ein gut gestalteter Vormittag im Lebensraum Schule kann die Kinder – statt sie zu ermüden – für den restlichen Tag und ihr soziales Umfeld stärken.
Der Klassenlehrer wird in den ersten Schuljahren zu einer festen Bezugsperson, ist verantwortlich für den Hauptunterricht mit seinen Epochen, begleitet die Pausen, sorgt für eine geregelte Ernährung und tägliche Bewegungszeiten. Anders als früher üblich, umrahmt der Klassenlehrer den Vormittag der Kinder: Neben dem Tagesbeginn im Epochenunterricht fängt er die Kinder in einem gemeinsamen Abschluss auch wieder auf. Die anderen Fächer werden in möglichst beweglichen Zeiteinheiten in den Vormittag integriert, so dass der Schultag als ein ausgewogenes Ganzes empfunden werden kann.
In der Unterstufe wird ein besonderes Augenmerk auf ein Lernen mit allen Sinnen gelegt. So sollen die Kinder nicht nur sehend, hörend, riechend und schmeckend die Welt erfahren, sondern ihren Tastsinn, Lebenssinn, Gleichgewichtssinn und Eigenbewegungssinn, die für eine gesunde körperliche, seelische und geistige Entwicklung unabdingbar sind, in kräftigender Weise entwickeln können. Ideal hierfür sind Bewegung, Abwechslung und anregendes Spiel.
Wir ermöglichen es, in den ersten Klassen auf Tische und Stühle zu verzichten und richten uns mit geeigneten Holzbänken und Sitzkissen ein. Jeweils zwei Kinder teilen sich ihre Bank und haben darauf ihren festen Platz. Der häufige Wechsel von Sitzen, Stehen, Herumlaufen und vor der Bank auf einem Kissen knien, wenn geschrieben und gemalt wird, lässt weniger Müdigkeit aufkommen als auf den herkömmlichen Stühlen, die zudem meist zu gedrängter Enge im Klassenraum führen.
Die kleinen Bänke werden von den Kindern leicht zum Kreis umgebaut, eine ideale Arena für Bewegungsübungen und -spiele, aber auch für das gegenseitige Wahrnehmen beim Lernen. Die Bänke und Kissen selber sind ideale Spiel- und Turngeräte, die als Rutschbahnen, Tunnel, Klettertürme und Balancierstangen viel Raum für Bewegungsphantasie lassen. Ziel ist es, den Kindern ein positives Körpergefühl zu vermitteln, Grundvoraussetzung für alles weitere schulische Lernen sowie körperliche und seelische Gesundheit.
Die Harburger Rudolf Steiner Schule hat aber auch das große Glück, inmitten eines schönen und hügeligen Wald- und Heidegebietes zu liegen, so dass der Unterricht ohne großen Aufwand immer wieder ins Freie verlagert werden kann.