Zeugnisse

Abschlüsse - Aufschlüsse?

Das gegenwärtige Berechtigungswesen in der deutschen Bildungslandschaft bedeutet für einen Schulbetrieb, egal welcher pädagogischen Prägung, immer die Auseinandersetzung mit der Frage nach den sogenannten Abschlüssen. ln der Regel ist damit dann das Abitur gemeint, erst in zweiter Linie stehen Realschul- und Hauptschulabschluss (heute Mittlerer Schulabschluss - MSA - und Erster allgemeinbildender Schulabschluss - EAS). Dass eine Schule mit der Frage des Endes der Schulzeit auch ganz andere überlegungen verbindet, ist heute eher ungewöhnlich...

Am Ende eines jeden Schuljahres legen wir Zeugnis ab über unsere Tätigkeit und über die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse der Schüler. Das Ergebnis, eben das Zeugnis, ist ein mehr oder weniger ausführlicher Bericht an die Eltern und an die Schüler, streng genommen ist es auch ein Rechenschaftsbericht des Lehrers an sich selbst. Das Zeugnis gilt der charakterisierenden Darstellung des Schülers und seiner Arbeit im Laufe des vergangenen Schuljahres und der Beschreibung des zuletzt gewonnenen Standortes. Für den Epochenunterricht der Klassenlehrerzeit wird dies von den Klassenlehrern ausgeführt, in den Fachunterrichten und im Epochenunterricht der Oberstufe von den Fachlehrern. Was den Schülern und Eltern dann vorliegt, ist ein mehrseitiger, sehr persönlicher, wohlwollender Bericht, der einen deutlichen Einblick in die Lern- und Arbeitsformen der Schüler vermittelt. Genau und aufmerksam gelesen zeigt er ebenso deutlich die mögliche Notwendigkeit einer Veränderung für die Zukunft. lnsofern bedeutet das Zeugnis in jedem Schuljahr den Abschluss einer gemeinsamen Arbeit und den Aufschluss von neuen Möglichkeiten für das kommende Schuljahr.

So könnte man am Ende der Schulzeit ebenfalls von "Aufschlüssen" sprechen, die den Schülern Türen in neue Betätigungsfelder öffnen. Man könnte, statt von Berechtigung zu reden, auch die "Befähigung" anschauen, die Schüler im Laufe von 12 Jahren erlangt haben. Damit wäre man viel eher auf der Ebene dessen, was Waldorfpädagogik anstrebt, nämlich die Menschenbildung, oder, anders ausgedrückt, die Heranbildung von im Leben stehenden, ein eigenständiges Urteil bilden könnenden, selbstverantwortet arbeitenden jungen Menschen, die in weiteren Bildungsschritten ihre Berufswege beschreiten.

Wie ein solches Schulende formal bestätigt werden kann, welche Qualitätsbescheinigungen da möglich sind, welche verbindlich weiterführenden Empfehlungen mitgegeben werden können, ist Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen, die überregional gerade geführt werden und immer wieder neu gegriffen werden müssen.

Wie sieht es nun konkret und eben "normal" aus?

Die Rudolf Steiner Schule Harburg ist bis einschließlich Klasse 13 staatlich anerkannt, das heißt, alle staatlichen Schulabschlüsse können an unserer Schule erworben werden. Dabei gibt es gegenüber den staatlichen Schulen ein paar Besonderheiten:

Der Erwerb des "Erster allgemeinbildender Schulabschluss" (EAS) und des "Mittleren Schulabschlusses" (MSA) erfordert im Durchschnitt ausreichende Bewertungen (EAS) bzw. gute Bewertungen (MSA) im grundlegenden Anforderungsbereich in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Geschichte, Sozialkunde (PGW) oder Geographie, Kunstgeschichte, Künstlerisches Gestalten, Musik, Französisch und Sport.

Der Erwerb der Fachhochschulreife (schulischer Teil) und des Abiturs ist an eine Versetzung in die 12. Klasse gebunden, die erfolgen kann, wenn in den oben genannten Fächern im Schnitt eine ausreichende Bewertung im erhöhten Anforderungsbereich vorliegt. Für die Versetzung in die 12. Klasse (Studienstufe) ist im Rahmen der MSA-Prüfung eine schriftliche und mündliche überprüfung in der zweiten Fremdsprache erforderlich.

Der Erste Allgemeine Schulabschluss (EAS, früher Hauptschulabschluss) wird frühestens am Ende der 10. Klasse erworben und vergeben, wenn Schüler die Schule am Ende von Klasse 10 verlassen. Voraussetzung für den Erwerb des EAS ist neben den oben genannten Bewertungen die Teilnahme an schriftlichen und mündlichen Prüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik, die dem Lehrplan der 10. Klasse entsprechen, sowie an einer praxisorientierten mündlichen Prüfung. Letztere wird im Rahmen des Feldmesspraktikums absolviert. Das Verfahren in den Prüfungen entspricht formal dem für den mittleren Bildungsabschluss und wird dort beschrieben.

Der Mittlere Schulabschluss (MSA, früher Realschulabschluss) wird am Ende der 11. Klasse erworben und vergeben. Voraussetzung ist, wie beim EAS neben den oben genannten Bewertungen die Teilnahme an schriftlichenund mündlichen Prüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik, die dem Lehrplan der 11. Klasse entsprechen.

Die mündlichen Prüfungen werden für beide Abschlüsse als Gruppenprüfungen zu je 5 Schülern durchgeführt und dauern je Gruppe etwa 1¼ Stunden. über die Inhalte der Prüfungen geben Ihnen die Fachlehrer gerne Auskunft.

Die Aufgaben für die schriftlichen Prüfungen beider Abschlüsse werden als Zentrale Prüfungen innerhalb der Rudolf Steiner Schulen und Waldorfschulen in Hamburg durchgeführt. Die Aufgabenstellungen werden von einem Fachkollegenteam aus mehreren Hamburger Rudolf Steiner Schulen erarbeitet und der Schulbehörde zur Begutachtung vorgelegt. Dort wird unter Berücksichtigung des Lehrplans der RSS HH geprüft, ob die Aufgaben den EAS- bzw. MSA-Aufgaben der staatlichen Schulen gleichwertig sind.

In Orientierungsgesprächen im Laufe von Klasse 9, 10 und besonders Klasse 11 wird mit den Schülern das Spektrum ihrer Möglichkeiten sondiert. Am Schuljahresende wird in der Zeugniskonferenz festgestellt, ob der Abschluss erreicht wurde.

Das Abitur wird komplett den staatlichen Bedingungen folgend erworben, das heißt, dass inhaltlich die Vorgaben der staatlichen Bildungspläne für die Studienstufe bindend sind. Dies ist auch deshalb nötig, weil mit dem Prüfungsjahr 2014 alle schriftlichen Abiturprüfungen als zentrale Prüfungen, z.T. sogar länderübergreifend durchgeführt werden.

Die Schüler legen 3 schriftliche und eine mündliche Prüfung ab, alle anderen Bewertungen ergeben sich aus der zweijährigen Kursarbeit.

Um das gesamte Gebiet der Studienstufe zu durchdringen sei die Broschüre "Die Studienstufe an allgemeinbildenden Schulen" der Schulbehörde Hamburg empfohlen, die im Internet heruntergeladen werden kann.

Da die RSS Harburg komplett in das staatliche Prüfverfahren einbezogen ist, stellt sie die Prüfungskommissionen der Prüfungsfächer mit Genehmigung der Behörde selbst. Die Behörde behält sich vor, die Zweitkorrektur von etwa 10% aller schriftlichen Prüfungen anonymisiert von externen Prüfern durchzuführen. Die Schulen rechtzeitig darüber informiert. Die mündlichen Prüfungen werden als "Präsentationsprüfungen" oder als herkömmliche mündliche Einzelprüfung durchgeführt. Genaueres hierzu entnehmen Sie bitte auch der genannten Broschüre.

Das Fachabitur (schulischer Teil) wird frühestens am Ende der 12. Klasse (2. Semester der Studienstufe) ohne jegliche Prüfung erworben. Es muss in einer bestimmten Anzahl bestimmter Fächer ein ausreichendes Ergebnis vorliegen. Genaueres entnehmen Sie bitte der genannten Broschüre.

Zum Erwerb der vollständigen Fachhochschulreife gehört ein einjähriges Vollzeit-Praktikum, das mit einem Zeugnis des Praktikumsbetriebes endet, oder eine Berufsausbildung. Aus dem Zeugnis der Schule und des Praktikumsbetriebes erstellt die Behörde dann das endgültige Fachhochschulreifezeugnis.